
Impressionismus
In den 1860er Jahren fanden die Maler Claude Monet, Camille Pissarro, Pierre-Auguste Renoir und Alfred Sisley in Paris zusammen. Sie revolutionierten die Kunst mit lichtdurchfluteten Landschaften und wurden 1874 als „Impressionisten“ bekannt, die in freier Natur flüchtige Sinneseindrücke unmittelbar auf die Leinwand bannten.
Auch im Werk von neoimpressionistischen Malern wie Paul Signac und Henri-Edmond Cross blieb die Hinwendung zur Landschaft mit der Befreiung der Farbe verbunden – ein Aspekt, der im frühen 20. Jahrhundert die farbintensiven Kompositionen der Fauvisten erneut untermauerte. Impressionisten, Neoimpressionisten und Fauvisten folgten dem Ideal, Natur mit Licht und Farbe sinnlich erfahrbar zu machen.
Mit über 100 Gemälden des Impressionismus und Post-Impressionismus zeigt das Museum Barberini die Sammlung des Museumsgründers Hasso Plattner, darunter mit 34 Gemälden Monets den größten Werkkomplex dieses Malers in Europa außerhalb Frankreichs.
Die Präsentation spannt den Bogen von den 1860ern bis ins frühe 20. Jahrhundert und bietet die Möglichkeit, die Entwicklung der französischen Landschaftsmalerei in den Stilrichtungen des Impressionismus, Neoimpressionismus und Fauvismus eindrücklich nachzuvollziehen. In diesem Barberini Prolog entdecken Sie drei Generationen von Künstlern, die oft zusammenarbeiteten, an die gleichen Orte reisten, sich gegenseitig inspirierten und so eine der faszinierendsten Epochen der modernen Malerei prägten.


Claude Monet: Argenteuil am Spätnachmittag, 1872
Sammlung Hasso Plattner
In den Landschaften entlang der Seine entwickelten die Impressionisten um Claude Monet ihr Motivrepertoire. Sie arbeiteten unter freiem Himmel und konzentrierten sich auf das Hier und Jetzt, indem sie auf alles Anekdotische früherer Landschaftsmalerei verzichteten.
Stattdessen galt ihr Interesse der ständigen Veränderung von Licht, Wolken und ihrer Reflexion in spiegelnden Wasseroberflächen. Schon 1865 brachen Pierre-Auguste Renoir und Alfred Sisley von Paris zu einem ersten Malausflug entlang der Seine auf, der sie bis zur Mündung in Le Havre führte. Bis heute werden Orte an der Seine wie Argenteuil, Giverny und Moret-sur-Loing mit den Malern des Impressionismus verbunden: Eugène Boudin und Claude Monet, aber auch Gustave Caillebotte, Alfred Sisley und Paul Signac – für sie alle war die Seine ein unerschöpfliches Motiv.
Maurice de Vlaminck: Die Brücke von Chatou, 1906/07
Die Industrialisierung in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts prägte auch die Seine im Umland von Paris.
Überspannt von hochmodernen Brückenkonstruktionen war der Fluss eine wichtige Verkehrsader zur Versorgung der rasant wachsenden Metropole. Darüber hinaus diente er als Schauplatz des modernen Segelsports. So waren die Dörfer entlang der Seine beliebte Ausflugsziele für Städter, die mit der Eisenbahn zur Erholung in die Vororte fuhren. Das Zusammenspiel von fortschrittlicher Industrie und Freizeitvergnügen in der Natur war ein zentraler Aspekt des modernen Lebens, die die Künstler in ihren momenthaften Landschaftsbildern festhielten.

Gustave Caillebotte: Die Brücke von Argenteuil und die Seine, um 1883
In der Auseinandersetzung mit impressionistischen Motiven entstanden an der Seine auch Gemälde im Stil des Neoimpressionismus.
Paul Signac und Georges Seurat hatten diese neue Kunstrichtung um 1885 ins Leben gerufen, bei der die Bildgegenstände als ein schimmerndes Mosaik unvermischter Farbtöne gestaltet sind. Die Maltechnik wurde deshalb auch früh als Divisionismus (Farbzerlegung) oder Pointillismus (Punktmalerei) bezeichnet.
Der Maler, der die Farbe ,zerlegt‘, unterzieht sich nicht der langweiligen Aufgabe, seine Leinwand mit vielfarbigen Pünktchen zu betupfen. Er geht vom Kontrast zweier Töne aus – er stellt auf jeder Seite der Grenzlinie seine einzelnen Elemente einander gegenüber und gleicht sie aus – bis ihm ein anderer Kontrast zum Motiv einer neuen Kombination wird.

Sammlung Hasso Plattner
Paul Signac: Klipper, 1887

Sammlung Hasso Plattner / VG Bild-Kunst, Bonn 2021
Maurice de Vlaminck: Seine-Ufer bei Bougival, 1906
Fauvisten an der Seine
Auch der Maler Maurice de Vlaminck schuf die meisten seiner Gemälde an der Seine, ließ aber den systematischen Farbauftrag der Neoimpressionisten weit hinter sich. Er gehörte zum Freundeskreis der sogenannten Fauvisten, deren grelle Farbgestaltung und impulsiver Pinselduktus die Malerei seit 1905 erneut grundlegend veränderte.


Camille Pissarro: Boulevard Montmartre, Abenddämmerung, 1897
Gewaltige Umbaumaßnahmen hatten Paris seit den 1850er Jahren verändert. Im Auftrag Kaiser Napoleons III. hatte Baron Haussmann die Stadt zur weltweit fortschrittlichsten Metropole umgestaltet: mit breiten Boulevards, neuen Grünanlagen, riesigen Markthallen, Bahnhöfen und Theatern. Das urbane Leben auf den Straßen, in den Cafés und Parks bot den progressiven Künstlern willkommene Motive der Moderne.
Claude Monet, Pierre-Auguste Renoir, Alfred Sisley und Camille Pissarro gehörten zu den Initiatoren der ersten Impressionismus-Ausstellung 1874 in Paris, die ihnen zum endgültigen Durchbruch verhalf. Kurz darauf schlossen sich Berthe Morisot, Paul Cézanne und Gustave Caillebotte der neuen Bewegung an. Aus der ganzen Welt kamen Künstler nach Paris, um Anschluss an die Moderne zu finden.

Gustave Caillebotte: Rue Halévy, Blick von einem Balkon, 1877

Gustave Caillebotte: Rue Halévy, Blick aus der sechsten Etage, 1878
Mit der Modernisierung von Paris verdoppelte sich allein zwischen 1850 und 1870 die Einwohnerzahl auf zwei Millionen und brachte die Erschließung der Peripherie mit sich. Seit den 1860er Jahren erreichten die erholungssuchenden Pariser mit der Eisenbahn in nur wenigen Stunden die Küste der Normandie. Étretat und Trouville etablierten sich als mondäne Seebäder und zogen zahllose Touristen an – unter ihnen die Künstler des Impressionismus und ihre Sammler.

Gustave Caillebotte: Paar beim Spaziergang, 1881
Neben der „Haussmannisierung“ von Paris übte auch die moderne Freizeitidylle in der Normandie auf die Impressionisten eine besondere Faszination aus.
Malausflüge in die nähere und weitere Umgebung waren nicht nur dem rasanten Ausbau des Schienennetzes zu verdanken. Technische Neuerungen wie fertig abgemischte Farben in Bleituben oder die tragbare Kastenstaffelei machten das Malen im Freien erst praktikabel.


Claude Monet: Die Pappeln in Giverny, 1887
In den Feldern rund um ihre Wohnorte fingen die Impressionisten für ihr Pariser Publikum scheinbar unspektakuläre Motive französischer Landschaften ein: Kornfelder, Pappelreihen, Feldwege, Wiesen und Getreideschober.
Mit ihrer unverfälschten Frische und Authentizität laden die damals neuartigen Naturausschnitte den Betrachter auch heute noch dazu ein, Licht und Luft, Tages- und Jahreszeiten mit allen Sinnen nachzuempfinden. Trotz ihrer locker wirkenden Malweise lag den Künstlern daran, die Topographie der Landschaft exakt wiederzugeben.
Auf den Spuren der Künstler von Barbizon unternahmen Claude Monet, Alfred Sisley und Pierre-Auguste Renoir ab 1862 erste ausgedehnte Malausflüge in den Wald von Fontainebleau bei Paris. Unter freiem Himmel arbeiteten sie an der Auflösung der Formen und der bildraumfüllenden Luftigkeit, die für den Impressionismus kennzeichnend sind.

Pierre-Auguste Renoir: Waldweg, 1874–1877
Während Camille Pissarro und Alfred Sisley in ihren Gemälden die Landbevölkerung selbst in den Blick nahmen, widmete sich Monet den sichtbaren Spuren bäuerlicher Arbeit in der Natur.
In seiner ersten Serie überhaupt entstanden 25 Gemälde von Getreideschobern, die er systematisch bei unterschiedlichen Licht- und Witterungsverhältnissen darstellte. Dabei setzte er auf die genaue Wiedergabe atmosphärischer Phänomene, die auch die Wissenschaft im 19. Jahrhundert erforschte.

Camille Pissarro: Raureif, eine junge Bäuerin macht Feuer, 1888

Claude Monet: Getreideschober, 1890
Für mich existiert eine Landschaft nicht an und für sich, weil ihre Erscheinung sich jeden Moment verändert; sie lebt durch das, was sie umhüllt – durch die Luft und das Licht, die ständig wechseln. […] Für mich erhält das Sujet erst durch seine Umgebung seinen wahren Wert.


Eugène Boudin: Le Havre. Der Außenhafen bei Sonnenuntergang, 1882
Die Küsten der Bretagne und der Normandie gewannen im Lauf des 19. Jahrhunderts an wirtschaftlicher Bedeutung. Um dem expandierenden internationalen Handel gerecht zu werden, erlebten die Häfen einen regelrechten Modernisierungsschub.
Die Impressionisten arbeiteten in ihren Hafendarstellungen ganz ohne Pathos den Übergang von der traditionellen zur modernen industriellen Schifffahrt heraus. Die von ständig wechselnden Licht- und Wetterverhältnissen begleitete ruhelose Geschäftigkeit der Häfen brachten die Maler mit lebhafter Pinselführung zum Ausdruck.
Eugène Boudin gilt als Pionier der Pleinairmalerei, die er dem jungen Claude Monet bereits in den späten 1850er Jahren nahebrachte. In Le Havre, dem damals zweitgrößten Hafen Frankreichs, starteten sie ihre ersten Malkampagnen. Gerade an der Küste mit dem schnellen Wechsel von Sonne und Wolken konnten die Freilichtmaler ihre rasche Auffassungsgabe und ihr Handwerk schulen und unter Beweis stellen.
Was man im Freien malt, hat stets eine Kraft, Frische und Lebendigkeit des Pinselstrichs, die man im Atelier nicht erreicht.

Sammlung Hasso Plattner
Claude Monet: Der Hafen von Le Havre am Abend, 1872
In London hatte Claude Monet den größten Hafen der Welt gesehen. Kurz nach seiner Rückkehr schuf er 1872 in Le Havre das Werk Impression, Sonnenaufgang (Musée Marmottan Monet, Paris) – seine bis heute wohl bekannteste Arbeit, mit der er auf der ersten Impressionisten-Ausstellung 1874 in Paris auf sich aufmerksam machte. Als Pendant zu dem Morgenbild malte er eine Nachtszene, die den Industriehafen mit seiner modernen künstlichen Gasbeleuchtung in der radikalen Flüchtigkeit einer Skizze nachbildet.

Berthe Morisot: Die Themse, 1875
Auch Berthe Morisot, die als einzige Frau von Anfang an zum Kreis der Impressionisten zählte, war fasziniert von dem Motiv des Hafens als Umschlagplatz für Waren aus aller Welt. In London hatte sie, wie zuvor Claude Monet, nicht nur die britischen Docks, sondern auch die atmosphärischen Themse-Ansichten William Turners kennengelernt.
Die Themse ist wirklich schön. Ich denke oft daran, wie sehr es Dich freuen würde, diesen Wald aus gelben Masten zu sehen, durch den man die Kuppel von St. Paul‘s erblickt, das Ganze gebadet in einem goldenen Dunst.


Camille Pissarro: Garten und Hühnerstall von Octave Mirbeau, Les Damps, 1892
Im 19. Jahrhundert entwickelte sich die Gartenkultur zum Hobby der Bildungsbürger, und auch das Interesse an exotischen Pflanzen nahm zu.
Die Künstler um Claude Monet pflegten ihre Vorliebe für das Wandelbare nun im eigenen Garten und brachten mit diesem neuen Thema den Wechsel von Tages- und Jahreszeiten zur Anschauung. Der heimische Garten als Freilicht-Atelier hatte den Vorteil kurzer Wege zum gewählten Motiv und bot zudem die Möglichkeit, Naturbilder mit Innenraumdarstellungen zu verbinden.
Als passionierter Gärtner hatte Monet schon in den 1890er Jahren einen üppigen Garten in Giverny angelegt, der von japanischen Vorbildern inspiriert war und einen reich bepflanzten Teich umfasste. In seinem Spätwerk widmete er sich nahezu ausschließlich dem Motiv der Seerosen. Die Konzentration auf die spiegelnde Wasseroberfläche ohne jeglichen Horizont machte Monet zum Wegbereiter der Abstraktion im 20. Jahrhundert.

Sammlung Hasso Plattner
Claude Monet: Der Seerosenteich, um 1918
Ich habe lange gebraucht, um meine Seerosen zu verstehen. Ich hatte sie zu meinem Vergnügen gepflanzt; hatte sie angelegt, ohne daran zu denken, sie zu malen. Eine Landschaft erschließt sich einem nicht an einem einzigen Tag. Und dann, auf einmal haben sich mir die Zaubereien meines Teichs offenbart. Ich habe zur Palette gegriffen… Seit dieser Zeit hatte ich kaum ein anderes Motiv.

Henri Le Sidaner: Fenster mit Nelken, Gerberoy, 1908
Ähnlich wie Monet in Giverny und Caillebotte in Le Petit-Gennevilliers hatte Henri Le Sidaner in dem mittelalterlichen Dorf Gerberoy einen paradiesischen Rückzugsort gefunden. Um das Landgut herum legte er einen Blumengarten im englischen Stil an, der seine wichtigste Malkulisse werden sollte. Zu diesem Zeitpunkt hatte sich das Gartenmotiv in der Kunst der Impressionisten längst als Symbol für das harmonische Leben des Menschen mit der Natur etabliert.


Camille Pissarro: Blick auf Bazincourt, Schnee, Sonnenuntergang, 1892
Die Winter der 1860er bis 1890er Jahre waren besonders kalt und schneereich. Die Künstler setzten sich dennoch der eisigen Kälte aus, um dem Schnee die optischen Phänomene der Lichtbrechung auf den Kristallen abzugewinnen.
Wie schon bei ihren Darstellungen von Wasserflächen ging es den Malern um die visuelle Verschränkung von Himmel und Erde. Die Reflexionen auf dem Schnee setzten sie häufig in abstrakt anmutende Kompositionen um.
Von Renoir ist der Ausspruch überliefert, gemalter Schnee solle alle Farben der Umgebung widerspiegeln und daher nie in reinem Weiß gemalt werden. Auch Künstler wie Sisley, Pissarro und Guillaumin waren fasziniert von den farbigen Reflexionen auf von Schnee, Eis, Raureif oder Frost bedeckten Oberflächen. Von allen Impressionisten aber schuf Monet die meisten Winterbilder, rund 140 insgesamt – eine Vorliebe, die von entsprechenden Darstellungen auf japanischen Farbholzschnitten inspiriert war, die Monet mit Begeisterung sammelte.

Claude Monet: Eisschollen in Bennecourt, 1893

Alfred Sisley: Schnee in Louveciennes, 1874
Anders als seine Künstlerfreunde wie etwa Monet oder Renoir arbeitete Sisley ausschließlich als Landschaftsmaler. In seiner Pleinairmalerei widmete er sich mit Vorliebe der Darstellung von Himmel und Wasser im Wandel der Jahreszeiten.
Es ist wichtig, dass die Gegenstände (...) von Licht umflutet dargestellt werden, wie sie es in der Natur sind. Der Himmel muss das Mittel dazu sein, denn der Himmel ist nicht nur ein Hintergrund (...) Er erinnert uns an die Wellenbewegung des Meeres, begeistert uns und zieht uns mit sich fort (...). Ich beginne bei jedem Gemälde mit dem Himmel.


Henri-Edmond Cross: Der Strand von Saint-Clair, 1896
Die Beobachtung der heimischen Natur hatte in Monets Generation die klassische Landschaftsmalerei abgelöst. Mit der Eisenbahn fuhren die Künstler entlang der Küsten Nord- wie Südeuropas und malten vor Motiven an der Côte d‘Azur, in Venedig und Saint-Tropez, an den Steilküsten der Bretagne oder der italienischen Riviera.
Der Eindruck kontemplativer Naturbetrachtung fernab jeglicher Zivilisation täuscht. Die Küstenlandschaften wurden im späten 19. Jahrhundert zunehmend vom modernen Tourismus erschlossen und mit Postkarten vermarktet. Die Maler stellten sich dieser Konkurrenz, indem sie mit den Ausschnitttechniken der Photographie arbeiteten.

Claude Monet: Strada Romana in Bordighera, 1884

Claude Monet: Villen in Bordighera, 1884
In der Nachfolge Monets reisten viele Maler ans Mittelmeer.
Paul Signac und Henri-Edmond Cross ließen sich in den 1890er dort nieder entwickelten den Pointillismus an der Côte d’Azur weiter. Im Licht des Südens schufen sie nahezu paradieshafte Landschaften, in denen ihr Ideal eines friedlichen Zusammenlebens in unberührter Natur mitschwingt. Der freie Umgang mit den Primärfarben in mediterranen Kompositionen hatte einige Jahre später Einfluss auf die junge Generation der Fauvisten.

Sammlung Hasso Plattner
Paul Signac: Der Hafen bei Sonnenuntergang, Opus 236 (Saint-Tropez), 1892
Der Neoimpressionismus verbürgt durch das Ausschließen jeder trübenden Mischung, durch die alleinige Anwendung der optischen Mischung reiner Farben, durch systematische Zerlegung der Farbe und das Beobachten der wissenschaftlichen Farbentheorie – ein Höchstes an Leuchtkraft, an Farbe und Harmonie, wie es vordem nicht erreicht worden ist.


Auguste Herbin: Landschaft auf Korsika, 1907
VG Bild-Kunst, Bonn 2021
Anfang des 20. Jahrhunderts kam in Frankreich eine radikal neue Kunstrichtung auf, die sich durch die starke Konturierung der Formen und eine expressive Farbwahl auszeichnet.
Als „les Fauves“ (die Wilden) bezeichnete ein Kunstkritiker die Maler um André Derain, Maurice de Vlaminck und Auguste Herbin anlässlich ihrer ersten Ausstellung im Pariser Herbstsalon von 1905: die herablassend gemeinte Bemerkung war namensgebend für den neuen Stil des Fauvismus.
Maurice de Vlaminck: Stadtviertel Saint-Michel, Bougival, 1913
Die Fauvisten lösten sich vom impressionistischen und pointillistischen Stil und entwickelten eine flächige, farbstarke Malerei.
Es ging ihnen nicht mehr um die Darstellung von Naturphänomenen, sondern wie den expressionistischen Malern der „Brücke“ um den autonomen Ausdruckswert der Farbe: ein radikaler Schritt in Richtung der reinen Abstraktion.
Ihr expressiver Malstil hielt sie jedoch nicht davon ab, sich auf Motive der Impressionisten und Pointillisten zu beziehen. Während André Derain den Spuren von Cross und Signac in Südfrankreich folgte, malte Maurice de Vlaminck mit Bougival an einem Ort, den schon Renoir und Monet in den 1860er Jahren zum Bildthema gemacht hatten.

VG Bild-Kunst, Bonn 2021
André Derain: Landschaft bei Cassis, 1907/08

Sammlung Hasso Plattner / VG Bild-Kunst, Bonn 2021
Maurice de Vlaminck: Der Wald, 1914–1918
Vlaminck war der einzige Künstler unter den Fauvisten, der sich mit dem Attribut der Wildheit identifizierte. Den sozialutopischen Anarchismus in den Werken von Signac und Cross wendete er künstlerisch ins Zornige und Heftige. Wie viele Fauvisten wandte er sich bald dem Kubismus zu, dessen Zergliederung der Bildfläche in streng geometrische Grundformen die moderne Malerei erneut revolutionieren sollte. Die drei Generationen der Impressionisten, Pointillisten und Fauvisten hatte das gleiche Ideal verbunden: dem Betrachter die Natur durch Farbe und Licht sinnlich erfahrbar zu machen.