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Surrealismus und Magie

Verzauberte Moderne
#SurrealismusBarberini

Ich glaube an die zukünftige Auflösung dieser scheinbar so gegensätzlichen Zustände von Traum und Wirklichkeit in einer Art absoluter Realität, wenn man so sagen kann: Surrealität.

André Breton, Manifest des Surrealismus, 1924
Phantastische Welten
Magie und Metamorphose
Erstes Kapitel
 In de Chiricos  Gehirn des Kindes  stehen die geschlossenen Augen des nackten Mannes für die Welt des Traums und der Phantasie, aber auch für Innenschau und Hellseherei. 

In de Chiricos Gehirn des Kindes stehen die geschlossenen Augen des nackten Mannes für die Welt des Traums und der Phantasie, aber auch für Innenschau und Hellseherei. 

Magie gab dem Denken des Menschen immer neue Impulse. Sie befreite ihn von der Angst und verlieh ihm ein Gefühl der Macht, die Welt zu beherrschen, beflügelte seine Phantasie und hielt die Sehnsucht, immer Größeres und Höheres zu vollbringen, in seinem Geiste wach.

Kurt Seligmann, „Das Weltreich der Magie“, 1948
 Sein Werk  Einkleidung der Braut  fertigte Max Ernst als eine Hommage an seine Partnerin, die englische Surrealistin Leonora Carrington. Inspiration konnte er aus tradierten Hexendarstellungen der Renaissance beziehen. Wie in einem magischen Ritual wird die nackte Verführerin hier in einen majestätischen Federmantel gehüllt. Als Kernfarbe der Magie assoziiert das leuchtende Rot seine Trägerin mit großer Zaubermacht.

Sein Werk Einkleidung der Braut fertigte Max Ernst als eine Hommage an seine Partnerin, die englische Surrealistin Leonora Carrington. Inspiration konnte er aus tradierten Hexendarstellungen der Renaissance beziehen. Wie in einem magischen Ritual wird die nackte Verführerin hier in einen majestätischen Federmantel gehüllt. Als Kernfarbe der Magie assoziiert das leuchtende Rot seine Trägerin mit großer Zaubermacht.

Erfahren Sie mehr: Max Ernst – Einkleidung der Braut
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Mächtige Muttergöttin: Massons „Ophelia“
 Carrington verband die Zubereitung von Speisen mit magischen Riten. So erinnert die steinerne Anrichte hier an einen heidnischen Altar. Umgeben ist er von einem schützenden Bannkreis, der mit magischen Schriftzeichen versehen ist. Bei der weißen Gans handelt es sich vermutlich um ein symbolisches Begleittier der zaubermächtigen „Weißen Göttin“. 

Carrington verband die Zubereitung von Speisen mit magischen Riten. So erinnert die steinerne Anrichte hier an einen heidnischen Altar. Umgeben ist er von einem schützenden Bannkreis, der mit magischen Schriftzeichen versehen ist. Bei der weißen Gans handelt es sich vermutlich um ein symbolisches Begleittier der zaubermächtigen „Weißen Göttin“. 

Königliche Hochzeit
Surrealismus und Alchemie
Zweites Kapitel
 Victor Brauners  Der Surrealist  baut auf der Ikonographie des Tarots auf – ein Kartenspiel, das seit dem 18. Jahrhundert zur Wahrsagung verwendet wurde. Zur Vorlage nahm er die Karte „Der Magier“, die Willenskraft und Kreativität symbolisiert. Die vier Attribute der Figur – Zauberstab, Münzen, Kelch und Dolch – stehen für die alchemistische Macht über die vier Elemente und deuten an, dass der Magier im Besitz der Unsterblichkeit ist.

Victor Brauners Der Surrealist baut auf der Ikonographie des Tarots auf – ein Kartenspiel, das seit dem 18. Jahrhundert zur Wahrsagung verwendet wurde. Zur Vorlage nahm er die Karte „Der Magier“, die Willenskraft und Kreativität symbolisiert. Die vier Attribute der Figur – Zauberstab, Münzen, Kelch und Dolch – stehen für die alchemistische Macht über die vier Elemente und deuten an, dass der Magier im Besitz der Unsterblichkeit ist.

Erfahren Sie mehr: Victor Brauner – Der Surrealist
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 Brauners Gemälde  Die Liebenden  war André Breton gewidmet und ein Kernstück der internationalen Surrealismus-Ausstellung, die 1947 in Paris stattfand. Die Werkschau war ganz auf Themen von Mythos, Magie und alchemistischer Regeneration fokussiert.

Brauners Gemälde Die Liebenden war André Breton gewidmet und ein Kernstück der internationalen Surrealismus-Ausstellung, die 1947 in Paris stattfand. Die Werkschau war ganz auf Themen von Mythos, Magie und alchemistischer Regeneration fokussiert.

 Ernsts 1944 entstandene Skulptur  Der König, der mit der Königin spielt  kann als ein symbolisches Selbstportrait gedeutet werden, in dem Max Ernst mit Dorothea Tanning als seiner alchemistischen Königin „spielt“. Dem Motiv wohnen auch erotische und sexuelle Konnotationen inne.

Ernsts 1944 entstandene Skulptur Der König, der mit der Königin spielt kann als ein symbolisches Selbstportrait gedeutet werden, in dem Max Ernst mit Dorothea Tanning als seiner alchemistischen Königin „spielt“. Dem Motiv wohnen auch erotische und sexuelle Konnotationen inne.

 Leonora Carringtons Zauberer, ein Totenbeschwörer, möchte das in einem gläsernen Gefäß eingeschlossene Tier zum Leben erwecken. Die blauen Eier symbolisieren Wiedergeburt und Verjüngung, die leuchtenden Schmetterlinge Wandlung und Metamorphose.

Leonora Carringtons Zauberer, ein Totenbeschwörer, möchte das in einem gläsernen Gefäß eingeschlossene Tier zum Leben erwecken. Die blauen Eier symbolisieren Wiedergeburt und Verjüngung, die leuchtenden Schmetterlinge Wandlung und Metamorphose.

Mit Recht spricht man vom Zauber der Kunst und vergleicht den Künstler mit einem Zauberer (…). Die Kunst, die gewiß nicht als l’art pour l’art begonnen hat, stand ursprünglich im Dienste von Tendenzen, die heute zum großen Teil erloschen sind. Unter diesen lassen sich mancherlei magische Absichten vermuten.  

Sigmund Freud, „Totem und Tabu“, 1913
 Im 19. Jahrhundert kamen Séancen in Mode – spiritistische Sitzungen, bei denen sogenannte Medien vermeintlich in Kontakt mit der Geisterwelt traten. Victor Brauner wählte eines der berühmtesten dieser Medien, die Schweizerin Hélène Smith, als Verkörperung seiner „Sirene des Wissens“.
Ein surrealistisches Tarot: Das „Jeu de Marseille“
 Jacqueline Lamba, André Bretons Partnerin, war als einzige Frau an der Herstellung des  Jeu de Marseille  beteiligt. Die Wahl der Materialien und die motivische Umsetzung der einzelnen Karten konnten die Künstler frei wählen. Das Rad steht im traditionellen Tarot für die Schicksalsgöttin Fortuna. Hier wird es zu einem Symbol revolutionärer Neuerung.

Jacqueline Lamba, André Bretons Partnerin, war als einzige Frau an der Herstellung des Jeu de Marseille beteiligt. Die Wahl der Materialien und die motivische Umsetzung der einzelnen Karten konnten die Künstler frei wählen. Das Rad steht im traditionellen Tarot für die Schicksalsgöttin Fortuna. Hier wird es zu einem Symbol revolutionärer Neuerung.

 Die Schriften Sigmund Freuds waren eine wichtige Inspirationsquelle des Surrealismus. Óscar Domínguez feierte den Psychoanalytiker als „Magier des Traums“. Rose und Pistole stehen für Eros und Thanatos, den Liebes- und den Todestrieb. Die Darstellung von Freuds Körper und seiner Kleidung beinhaltet zahlreiche Anspielungen auf Sexualität und Begierde.

Die Schriften Sigmund Freuds waren eine wichtige Inspirationsquelle des Surrealismus. Óscar Domínguez feierte den Psychoanalytiker als „Magier des Traums“. Rose und Pistole stehen für Eros und Thanatos, den Liebes- und den Todestrieb. Die Darstellung von Freuds Körper und seiner Kleidung beinhaltet zahlreiche Anspielungen auf Sexualität und Begierde.

 Im 19. Jahrhundert kamen Séancen in Mode – spiritistische Sitzungen, bei denen sogenannte Medien vermeintlich in Kontakt mit der Geisterwelt traten. Victor Brauner wählte eines der berühmtesten dieser Medien, die Schweizerin Hélène Smith, als Verkörperung seiner „Sirene des Wissens“.

Im 19. Jahrhundert kamen Séancen in Mode – spiritistische Sitzungen, bei denen sogenannte Medien vermeintlich in Kontakt mit der Geisterwelt traten. Victor Brauner wählte eines der berühmtesten dieser Medien, die Schweizerin Hélène Smith, als Verkörperung seiner „Sirene des Wissens“.

 Die Surrealisten waren fasziniert von der symbolistischen Lyrik des 19. Jahrhunderts. Die Wahl von Charles Baudelaire als „Genius der Liebe“ war vermutlich von den Schriften André Bretons beeinflusst. In seinem  Manifest des Surrealismus  (1924) hatte er den französischen Dichter als einen Vorläufer surrealistischer Literatur gefeiert. 

Die Surrealisten waren fasziniert von der symbolistischen Lyrik des 19. Jahrhunderts. Die Wahl von Charles Baudelaire als „Genius der Liebe“ war vermutlich von den Schriften André Bretons beeinflusst. In seinem Manifest des Surrealismus (1924) hatte er den französischen Dichter als einen Vorläufer surrealistischer Literatur gefeiert. 

Göttinnen und Hexen
Magische Frauenbilder
Drittes Kapitel
 Die weiblichen Figuren in Paul Delvaux'  Anbruch des Tages  sind Mischwesen: halb Baumstamm, halb Mensch. Ihre Verankerung im Boden verweist auf ihre magische Anbindung an das Reich der Natur. Delvaux zeigt die Gruppe als einen Reigen, der sich um ein altarähnliches Objekt versammelt hat. Die Ikonographie ist ein Fingerzeig auf Albrecht Dürers Kupferstich  Die vier Hexen  aus dem Jahr 1497.  

Die weiblichen Figuren in Paul Delvaux' Anbruch des Tages sind Mischwesen: halb Baumstamm, halb Mensch. Ihre Verankerung im Boden verweist auf ihre magische Anbindung an das Reich der Natur. Delvaux zeigt die Gruppe als einen Reigen, der sich um ein altarähnliches Objekt versammelt hat. Die Ikonographie ist ein Fingerzeig auf Albrecht Dürers Kupferstich Die vier Hexen aus dem Jahr 1497.  

Erfahren Sie mehr: Paul Delvaux – Anbruch des Tages
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 In René Magrittes Bild  Schwarze Magie  wechselt der Körper der nackten Frau seine Farbe von einem realistischen Hautton zu einem leuchtenden Blau. Damit verweist Magritte auf ihre symbolische Verbundenheit mit Himmel und Meer. Die idealisierte Figur erinnert an antike Statuen der Liebesgöttin Venus. 

In René Magrittes Bild Schwarze Magie wechselt der Körper der nackten Frau seine Farbe von einem realistischen Hautton zu einem leuchtenden Blau. Damit verweist Magritte auf ihre symbolische Verbundenheit mit Himmel und Meer. Die idealisierte Figur erinnert an antike Statuen der Liebesgöttin Venus. 

Ich wollte das Auge in Orte einführen, die sich gleichzeitig verbergen, enthüllen und verwandeln und in denen plötzlich ein nie zuvor erblicktes Bild auftaucht – gerade so, als ob es ohne mein Zutun entstanden wäre.

Dorothea Tanning, „Between Lives“, 2001
 Die unheimliche Atmosphäre in Dorothea Tannings  Das Gästezimmer  verweist auf ihre Faszination für die Literatur der Schauerromantik.

Die unheimliche Atmosphäre in Dorothea Tannings Das Gästezimmer verweist auf ihre Faszination für die Literatur der Schauerromantik.

 Dorothea Tannings Faszination mit Kindern als Protagonisten in magischen, märchenhaften Geschehnissen war von ihrer Faszination mit Lewis Carrolls Erzählung  Alice im Wunderland  (1865) verbunden. 

Dorothea Tannings Faszination mit Kindern als Protagonisten in magischen, märchenhaften Geschehnissen war von ihrer Faszination mit Lewis Carrolls Erzählung Alice im Wunderland (1865) verbunden. 

Okkulte Landschaftsbilder
Die Magie des Surrealen
Viertes Kapitel
 Im Surrealismus stehen Tag und Nacht für Wirklichkeit und Traum, Reales und Imaginäres. Max Ernsts Gemälde thematisiert die von den Surrealisten erhoffte Auflösung dieser Gegensätze in einer höheren Realität oder Surrealität. Durch die magisch leuchtenden Leinwände dringt das Hell des Tages in die nächtliche Phantasielandschaft.

Im Surrealismus stehen Tag und Nacht für Wirklichkeit und Traum, Reales und Imaginäres. Max Ernsts Gemälde thematisiert die von den Surrealisten erhoffte Auflösung dieser Gegensätze in einer höheren Realität oder Surrealität. Durch die magisch leuchtenden Leinwände dringt das Hell des Tages in die nächtliche Phantasielandschaft.

Erfahren Sie mehr: Max Ernst – Tag und Nacht
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 In Wolfgang Paalens Bild wirken die gespenstischen Gewitterformationen wie eine abstrakte Darstellung des Wilden Heers – furchteinflößende Geister, die der Legende nach auf nächtlichen Sturmwolken reiten. Ihr Anblick sollte bevorstehenden Krieg verheißen. Das Gemälde entstand in dem gleichen Jahr, in dem Hitler Paalens österreichisches Heimatland annektierte.

In Wolfgang Paalens Bild wirken die gespenstischen Gewitterformationen wie eine abstrakte Darstellung des Wilden Heers – furchteinflößende Geister, die der Legende nach auf nächtlichen Sturmwolken reiten. Ihr Anblick sollte bevorstehenden Krieg verheißen. Das Gemälde entstand in dem gleichen Jahr, in dem Hitler Paalens österreichisches Heimatland annektierte.

 Anfang der 1940er Jahre war Roberto Matta in die USA geflohen. Mit dem grellen Farbschema und den lodernden Flammen mutet  Jahre der Angst  wie eine futuristische Höllendarstellung an. Die komplexe Raumgestaltung ist auf Mattas Ausbildung zum Architekten zurückzuführen. 

Anfang der 1940er Jahre war Roberto Matta in die USA geflohen. Mit dem grellen Farbschema und den lodernden Flammen mutet Jahre der Angst wie eine futuristische Höllendarstellung an. Die komplexe Raumgestaltung ist auf Mattas Ausbildung zum Architekten zurückzuführen. 

 In  Morgen ist nie  ragen vier imposante Holzgerüste weit über die Wolken hinaus. Drei der komplexen Gitterkonstruktionen sind von riesigen Leinentüchern ausgefüllt. Die sich windenden Stoffe wirken wie belebte Wesen, die in einem magischen Gefängnis eingesperrt sind. Das Bild entstand kurz nach dem Tod von Sages Mann, dem surrealistischen Maler Yves Tanguy. Lassen sich die Stoffe auch als Leichentücher und somit als Symbole von Tod und Vergänglichkeit deuten, so beschwören sie zugleich die Idee eines geisterhaften Spuks.  

In Morgen ist nie ragen vier imposante Holzgerüste weit über die Wolken hinaus. Drei der komplexen Gitterkonstruktionen sind von riesigen Leinentüchern ausgefüllt. Die sich windenden Stoffe wirken wie belebte Wesen, die in einem magischen Gefängnis eingesperrt sind. Das Bild entstand kurz nach dem Tod von Sages Mann, dem surrealistischen Maler Yves Tanguy. Lassen sich die Stoffe auch als Leichentücher und somit als Symbole von Tod und Vergänglichkeit deuten, so beschwören sie zugleich die Idee eines geisterhaften Spuks.  

Erfahren Sie mehr: Kay Sage – Morgen ist nie
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 Der Titel nimmt auf den sagenumwobenen Merowingerkönig Dagobert Bezug, der der Legende nach aus einer übernatürlichen Blutlinie stammte. Carringtons Bild verbindet stilistische Anleihen aus spätmittelalterlicher Kunst mit alchemistischen Anspielungen auf die Macht der vier Elemente. Das Gemälde führte sie in der traditionellen Temperatechnik aus, bei der die Pigmente mit Eigelb angerührt werden.

Der Titel nimmt auf den sagenumwobenen Merowingerkönig Dagobert Bezug, der der Legende nach aus einer übernatürlichen Blutlinie stammte. Carringtons Bild verbindet stilistische Anleihen aus spätmittelalterlicher Kunst mit alchemistischen Anspielungen auf die Macht der vier Elemente. Das Gemälde führte sie in der traditionellen Temperatechnik aus, bei der die Pigmente mit Eigelb angerührt werden.

Alles lässt uns glauben, dass es einen bestimmten geistigen Punkt gibt, von dem aus Leben und Tod, Reales und Imaginäres, Vergangenes und Zukünftiges, Mitteilbares und Nicht-Mitteilbares, Oben und Unten nicht mehr als widersprüchlich empfunden werden. Indessen wird man in den Bemühungen des Surrealismus vergeblich einen anderen Beweggrund suchen als die Hoffnung, eben diesen Standort zu bestimmen.

André Breton, „Zweites Manifest des Surrealismus“, 1929